Montag, April 11, 2005

Der Tag der Lehre

Liebe Mitstreiter!

Verzeiht mir die späte Stunde meines Rundrufes, aber im Moment überschlagen sich die Ereignisse. Während die meisten von euch schon gespannt auf meinen Bericht von der Großoffensive in Lima warten (die offensichtlich schon seit Stunden als Gerücht in unseren heiligen Hallen kursiert), muss ich euch darauf hinweisen, dass der Tag des Mondes schon seit der Gründerzeit unserer Bewegung der Tag der Lehre ist. Als Lektion des heutigen Tages habe ich mir die Autorschaft der Offenbarung des Johannes, unseres heiligsten Buches, vorgenommen.
Laut der offiziellen Lehrmeinung der Katholischen Kirche wurde die Offenbarung des Johannes von Papst Gorgonius im 19. Jahrhundert verfasst und als 47. Buch der Bibel hinzugefügt. Gorgonius hieß im bürgerlichen Namen Giovanni Straciatella und stammte aus einer der ältesten italienischen Speiseeisdynastien. Von seinen engsten Vertrauten wurde er wegen seiner Leidenschaft für Werkzeuge liebevoll "forfex laminae" ("Die Blechschere") genannt. Wie wir aber alle wissen, stammt die Offenbarung aus der Feder John Donnes, der sie in einer Stunde religiöser Extase am Beginn des 17. Jahrhunderts von Gott selbst diktiert bekam. Während der junge John Donne mit seinen pornographischen Gedichten (z.B. "An seine Mätresse die zu Bette geht") und seiner Liebesbeziehung zur Tochter seines Chefs den Unmut des Establishments auf sich zog, wurde er später Dekan der St. Paulus Kathedrale und schrieb größtenteils religiöse Dichtung. Lasst uns aber nun sein Holy Sonnet 7 (1633) mit dem siebten Kapitel, Vers 1, der Offenbarung des Johannes vergleichen:

At the round earth's imagined corners, blow
Your trumpets, angels, and arise, arise
From death, you numberless infinities
Of souls, …

And after these things I saw four angels standing on the four corners of the earth, holding the four winds of the earth, that the wind should not blow on the earth, nor on the sea, nor on any tree.

Wie ist es zu erklären, dass John Donne das äußerst ungewöhnliche Bild von den Engeln in den vier Ecken der Erde in seinem Gedicht über die Apokalypse schon über 200 Jahre vor Papst Gorgonius verwendete, der angeblich der Autor dieses Buches sein soll? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass beide Texte aus der Feder desselben Mannes stammen?

Aber nun zum aktuellen Weltgeschehen:
Gestern Abend, um 22 Uhr Ortszeit, stürmten Lux Aeterna und Pugnus Dei ("Die Faust Gottes", militärischer Arm von Opus Dei) Sonderkommandos ein geheimes Waffenlabor der Ancient Dawn Bewegung in Lima, der Hauptstadt Perus. Zwei unserer Brüder, Erasmus und Wolfhelm, die über ein fotografisches Gedächtnis verfügen, waren auch vor Ort, um sich in einem unbemerkten Augenblick das Buch zu merken. Als die Agenten die Forschungseinrichtung betraten, fanden sie nur mehr Leichen vor. Die ganze Anlage war völlig verwüstet und das Buch der Waffen verschwunden. Op Tech Spezialisten der Lux Aeterna Einheiten fanden aber im beinahe völlig zerstörten Zentralrechner einen mehrfach verschlüsselten Mikrochip einer uns noch unbekannten Konfiguration. Es scheint sich um einen Computerbestandteil der übernächsten Generation zu handeln, die auf Jadetechnologie basiert. Während die gesamten christlichen Geheimdienste fieberhaft nach Anhaltspunkten suchen, tagt Bruder Kajetan noch immer mit dem päpstlichen Nuntius, Vertretern von Lux Aeterna und Großinquisitor Kardinal Kessler. Wir vermuten, dass der Vatikan mehr weiß, als er zugibt.

Schaltet bald wieder ein und werdet Zeugen unserer weisen Voraussicht.

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

Viel passiert derzeit in der Welt. Ein Schock, daß das Buch gestohlen zu sein scheint - ich habe aber soeben von unserem Spezialagenten Mason Dixon ein Telegramm zugesandt bekommen, daß es sich bei den Drahtziehern womöglich um die weltweit operierende Organisation Phantom handeln könnte. Dem Namen getreu bleibt das Handeln von Phantom weitestgehend unbemerkt, aber wir wissen aus Berichten unseres Undercover-Agenten (ein Priester-Barbar der fünften Stufe), dass die Gruppe ihre Finger in verwerfenswerten Aktivitäten wie Erpressung, Attentate, Informationsfälschung und Publizistik hat. Der Kleriker unserer Gruppe bereitet einstweilen ob der schlechten Neuigkeiten Obi-Wans eine größere Anzahl von "Protection From Evil"-Zaubersprüchen und -lotionen vor.

10:58 PM  
Blogger obi-wan said...

Unermüdlicher Bruder Genzel!

Wir wissen deine Arbeit sehr zu schätzen. Stehe Kajetan mit Rat und Tat zur Seite und berichte weiterhin über den Stand deiner Forschungen. Wir dürfen nicht ruhen, bis die Sache aufgeklärt ist. Wenigstens in diesem Punkt stimmen wir mit dem Großinquisitor überein. Ruhe wohl und gehe morgen frisch ans Tagwerk.

12:06 AM  

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